Dienstag, Juni 26
Afrique
Was bleibt
wenn Hüllen fallen
der Mantel abgestreift
zu staubigen Füßen liegend
wenn Fäden gezogen
die Lider hoch geklappt
den klaren Blick freigebend
die gleichen Körper
ohne jede Gegenwehr
dieselben Blicke
voller Tränenmeer
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Freeder Erichson
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Dienstag, Juni 26, 2007
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Samstag, Juni 16
laisser à désirer
einer der Momente gewesen sein
dessen Endlichkeit
in Unendlichkeit hätte fließen solln
dessen Trennung
in Unzertrennlichkeit hätte münden solln
dessen Realität
all das Illusion sein lassen wird
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Freeder Erichson
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Samstag, Juni 16, 2007
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Berlin-Westkreuz
Umsteigen
Aussteigen
Geburt
Leben
Tod
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Freeder Erichson
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Samstag, Juni 16, 2007
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le coeur
verdorrt
aufgefressen
den Rest
entlebt
ausgehöhlt
entfernt
der Corpus
auferstanden
entfacht
aufgegangen
Neues Leben
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Freeder Erichson
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Samstag, Juni 16, 2007
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noir sur blanc
Druckerschwärze auf Papier
Schachfiguren aufm Feld
Wahrheit versprachen sie dir
Lügen gaben sie mir
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Freeder Erichson
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Samstag, Juni 16, 2007
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Freitag, Juni 15
seize mots
Schlächter, Krieger, Flieger
Wächter, Bieger, Sieger,
Unverletzlich, Regenlieder
Ächter, Verfechter, Verlierer
Gelächter, Flieder wieder
Verletzlich, Sonnenlieder
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Freeder Erichson
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Freitag, Juni 15, 2007
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Ahrensfelde
Sie will die Zeitung nicht herausrücken, nach der mein Kopf so lechzt, meine Augen stieren. Püppchen. Lackierte Braut mit Stiefeletten. Sie war schon fertig, mit dem ersten Seitenbündel, griff aber zurück. Liest die dritte Seite. Zu lang für sie. Zu wenig Zeit für mich. Normalerweise die analytische, narrative Seite, eine Seite, ein Thema. Aber heute mit Popkultur. Millionär steht am Ende der Headline, ich assoziiere den Schwiegersohn der schwarz-rot-goldenen Nation. Treffer. Scheiß Kuh, Scheiß Zeitung. Pause. Gähnen – sagte ich doch, zu lang für sie. Zweiter Versuch. Fußschwenker. Ich beobachte sie, sie ist unwissend. Ungewollte Protagonistin einer Berlin-Fahrt. Ich könnte sie fragen, es liegt auf der Brust. Nein, ich ertrage ihre Stimme nicht. Schon wieder Pause. Sie wühlt in ihrem Haar. Das macht sie nicht schlauer, mich auch nicht. Dritter Versuch. Alles Tarnung. Aufgabe. Meine Begierde ist von ihr zu einem Sozi degradiert worden. Stiller Mitfahrer. Ich bleibe demütig. Ich will die Zeitung nicht anfassen, halte meine Finger zurück. Ich veröffentliche diese Geschichte. Bestseller. Sie stöhnt schon. Zu viel des Guten. Von der Million kaufe ich Zeitungen, mit denen ich Bahnplätze ausstatte. Alle sollen lesen. Sich nicht zurückhalten, Begierde stillen und begierdiger werden. Trotzdem blöde Kuh!
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Freeder Erichson
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Freitag, Juni 15, 2007
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bascule électronique
Das Leben der Kippschaltung ist dichotom. An, aus, klipp, klapp. Auf seinem eingefahrenen Kontinuum existiert kein Mittelpunkt, der sich einrasten ließe. Viel mehr spielt sich das Leben um einen solchen Punkt herum ab. Alpha oder Omega, Leben oder Tod. Keine Zwischenstufen, nur Endpunkte. Diese aber tausendfach. Schwarz-Weiß-Malerei. Damit grenzt sich die Kippschaltung bewusst von der Regelschaltung ab, deren vielfältige Möglichkeiten uns verwirren. Jede einzelne Stufe, jedes menschliche Bedürfnis vermag sie zu simulieren. Komplexität ist ihr Markenzeichen. Sie ist eine Verführerin. Unsere wahren Ängste versteckt sie in unzähligen Einstellungen. Die Kippschaltung hingegen ist radikaler. Sie ist das Skalpell, das den Tumor entfernt. Sie gibt Leben, sie nimmt es. Ohne sie keine Regelschaltung.
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Freeder Erichson
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Freitag, Juni 15, 2007
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tram
In meinem Kopf fahren Straßenbahnen. Rattern schwere Gußräder auf Fasern des Nervensystems. Bremsen unbedacht. Schütten Menschen über den synaptischen Abgrund aus. Endlose Leere. Sekundenflug. Knallen sie auf den Boden, zerbersten sie im Brei der Windungen, Schleifen, Fissuren. Anfahrt. Auffahrt. Bis zur nächsten Haltestelle. Zum Aushalten nicht. Dieses Ein- und Ausfahren.
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Freeder Erichson
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Freitag, Juni 15, 2007
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Halbakt-Clown.Artist
Den Blick nach rechts gewandt, verharrte er in der endlosen Leere eines braun-schwarzen Flecks. Gewiss, er nahm ihn wahr. Die scharfe Kontur, mit der sich tausend winzige Moleküle von ihrem zartrosa Hintergrund abgrenzten. Über die Jahre hatten sie sich zu einem Kreis eingefunden, aus dem mehrere Haare wie Leuchttürme emporragten, als wollten sie die Aufmerksamkeit auf dieses Stück mutierter Zellen lenken. Ja, er nahm ihn war. Aber das, was von diesem Fleck in seinem Kopf zurück blieb, war doch nicht mehr als die Summe miteinander verknoteter Sinneswahrnehmungen, war nicht mehr als pure Physiologie, ein Hammer, der die Seiten mechanisch schwingen, aber keine Farben mehr entstehen ließ. Keine Phantasie, keine Erregung, kein Gefühl. Das, was er sonst auslöste, dieser von der Natur hingetuschte Tintenklecks unterhalb ihrer Lippen, war gegangen. Verschwunden. Hatte sich seiner entzogen durch die kleine Kammer des Korridors, der er nie Aufmerksamkeit schenkte. Sie war in die Wand geschlagen, nur einige Zentimeter Innereien, verdeckt von einer lindgrünen Eichentür, deren Schloss mehr Zierde denn Schutz ausstrahlte. Für Diego war sie nie mehr als ein Hort für Konserven, ein Platzhalter irgendwo zwischen Küche und Badezimmer, eine Sackgasse. Man konnte durch sie weder hinein noch hinaus, man blieb. Eine geschlossene Gesellschaft, die er tief verachtete, der er aber Maria zuliebe grundsolide gelogene Sympathie entgegenbrachte, so lange wie ihr Leberfleck das auslöste, was er seit einigen Wochen nicht mehr tat. Erst jetzt, wo dieses vertraute Bild sich von ihm entfremdet hatte, erst jetzt nahm er wahr. Die Wahrheit.
Dreiundachtzig Kilogramm Filet verteilten sich auf Stahlfedern, die ihrer gewohnten Arbeit nachgingen. Es tropfte wie beim Schlächter. Maria lag regungslos danieder. Ihr Blick klebte an der Decke wie der Kaugummi an seinen ausgelatschten Budapestern, deren Hinterkappe keinen Halt mehr gaben. Diego hasste Schnüren. Es war ihm eine lästige Alltagshandlung, die ewig gleiche Rille, die der Arm des Plattenspielers monoton entlang fuhr. Hineingleiten, schwerelos, ohne Anstrengungen – das war seine Maxime. Es gelang ihm nicht immer. Unregelmäßigkeiten, er suchte verzweifelt danach, nach einem Riss, dem Abdruck eines zerquetschten Insekts, Leben. Alles was er finden konnte, war konsonant, war tot. Die Schwerkraft ließ Marias fleischige Brüste an ihrem hageren Korpus nach unten hängen. Ihre rechte Hand baumelte vom Bett, die Beine wie Streichhölzer in einer Schachtel gestreckt. Und wie deren Zündköpfe waren ihre Nägel rot. Wie eine seiner Patientinnen. Doch sie war nicht seine Patientin. Viel mehr lagen sie beide hier auf diesem Bett, dessen gegilbtes Laken einem Gehirn ähnelte. Windungen, tiefe Fissuren, ein Graben, der es in zwei Hälften teilte. Diego war entrückt. Betont lässig hatte er das linke Bein auf dem rechten Knie fixiert und ließ seinen Fuß fröhlich kreisen als döse er auf einer frisch gemähten Sommerwiese, den Stängel einer Kornblume zwischen den Zähnen. Den muskulösen Oberkörper hatte er aufrichtet. Ihr zugewandt, offen. Als wollte er den linken Arm wie eine Handbremse lösen und auf Marias Seite rollen im nächsten Moment, in der nächsten Minute, Stunde, am nächsten Tag, im nächsten Jahr. Einzig, die Bremse ließ sich nicht lösen, die Finger gruben sich zwischen Gestell und Matratze tief hinein. Die Repeattaste des kleinen Kassettenspielers am Kopfende des Bettes hatte sich seit Monaten schon in der Plastikapplikation verfangen. In my secret life. In seinem Kopf erklang nur noch Cohens pechschwarze Stimme, diese Warteraummusik mittelmäßiger Großstadtzahnärzte. Als würden sie das musikalische Gesamtwerk eines Künstlers nicht anerkennen wollen, stießen sie fortwährend aus kleinen Lautsprecherboxen dieses eine Lied in die Stuhlrunde aus. Und die wippte hypnotisch auf den weißen Freischwingern mit, die akkurat am mittigen Zeitschriftenschrein ausgerichtet waren, vertieft ins gedankliche Vakuum. Maria wippte mit, nahm mit ihrem Leben in dieser dehospitalisierten Gruppe Platz. Eines Tag meinte Diego ein kaum vernehmbares „Mein rechter, rechter Platz ist leer, ich wünsche mir den Diego her“ aus Marias zuckersüßem Mund zu vernehmen. Die kirschroten Lippen, denen sie mit einer blitzschnellen Zungenbewegung den Glanz einer Eisbahn verleihen konnte, knabberten an seinen Ohrläppchen und ein verführerisch-warmer Abendhauch wollte ihn beinahe setzen lassen. Diese verdammten Wiederholungen. Diese Stupidität. Diese Regelmäßigkeiten. Wo war der Löwenzahn, der durch den Asphalt dringt, wo war Peter Lustig? Und da verstand er. Der linke Arm würde der Richtung der anderen Glieder nicht mehr folgen, er würde im Bettkasten stecken bleiben. Sie würden ihm folgen, von rechts nach links. Die Umkehrung dessen, was Maria gewohnt war. Die Heimkehr Diegos zu dem, was er gewohnt war und vergaß. Zu einem neuen Fleck, mit neuer Kontur, mehr als pure Physiologie, Leben eben. Marias war seit langem erloschen. Das, was noch übrig blieb, nahm Diego letzte Nacht.
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Freeder Erichson
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Freitag, Juni 15, 2007
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Labels: siège [kurzgeschichten]